Mittwoch, 21. Mai 2014

Der Wille Gottes

Schon der große Kirchenlehrer Thomas von Aquin († 1274) versuchte, das Geheimnis des göttlichen Willens zu beschreiben. Er stellt klar, dass Gottes Wille nie Willkür ist: „In Gott ist Macht und Wesenheit und Wille und Verstand und Weisheit und Gerechtigkeit dasselbe. Daher kann nichts in Gottes Macht stehen, was nicht auch in seinem gerechten Willen und in seinem weisen Verstand sein kann“ (Summa Theologica 1,25,5 ad 1).
Trotzdem tun wir Menschen uns oft schwer, Gottes Willen zu verstehen und anzunehmen. Der hl. Alfons Maria von Liguori († 1787), ein beliebter Seelenführer seiner Zeit und 1871 zum Kirchenlehrer erhoben, gibt praktische Ratschläge, wie man den eigenen Willen mit Gottes Willen vereinen kann. Liguori, der nach 13 Jahren segensreichen Wirkens die letzten 12 Jahre seines Lebens als Kranker verbrachte, beschreibt die Situation der Leidenden wie folgt:

Der Wille Gottes im Leiden

Es gibt Leute, die wollen die Gesundheit haben; aber, so sagen sie, nicht deshalb, um nicht zu leiden, sondern um Gott besser dienen zu können. Wenn es ihnen gut geht, dann könnten sie die Regel beobachten, sich der Gemeinschaft nützlich machen, in die Kirche gehen, zur hl. Kommunion gehen, Buße tun, sich dem Studium widmen, am Heil der Seelen arbeiten durch Beichthören und Predigen. Diese Leute irren sich aber schwer. Dem, der so spricht, antworte ich: „Liebe Seele, sage mir, warum möchtest du alle diese Dinge tun? Um Gott zu gefallen? Warum suchst du dir noch etwas aus, wenn du doch weißt, wo für dich der Wille Gottes liegt? Er ist nicht in den Kommunionen, den Bußen, den Studien und Predigten, sondern hier: im geduldigen Ertragen der Krankheiten und Schmerzen, die Gott dir schickt. Also denn, vereinige deine Leiden mit den Leiden Jesu Christi!“ – „Aber, was mir Kummer macht, das ist, dass ich mit dieser Krankheit unnütz bin für die Aufgabe in der Gemeinschaft und in meiner Familie!“ – Dann ergebt euch eurerseits in den Willen Gottes, und glaubt, dass eure Eltern und Oberen sich gleichfalls in den Willen Gottes ergeben. Sie sehen sehr wohl, dass es nicht eure Faulheit ist, sondern der Wille Gottes, der dem Haus diese Bürde auflädt. Kurzum diese Wünsche und Klagen kommen nicht von der Liebe zu Gott, sondern von der Eigenliebe, welche der Vorwand ist, um euch dem Willen Gottes zu entziehen. Wollen wir Gott gefallen – dann richten wir an Ihn, wenn wir ans Bett gefesselt sind, dies einzige Wort: „Dein Wille geschehe!“ Wiederholen wir dieses Wort ohne Unterlass 100 Mal, 1000 Mal! Durch dieses einzige Wort werden wir Gott mehr zufriedenstellen als durch alle möglichen Abtötungen und Andachtsübungen. Es gibt kein besseres Mittel, Gott zu dienen, als freudig Seinen hl. Willen zu umfassen.
Der sel. Johannes von Avila schrieb einem kranken Priester: „Mein Freund, macht euch nicht damit müde, euch vorzustellen, was Ihr tun würdet, wenn Ihr gesund wärt! Begnügt euch damit, krank zu sein, solange es Gott gefallen wird. Wenn Ihr den Willen Gottes sucht, dann ist die Gesundheit für Euch nicht von größerem Interesse als die Krankheit.“
Man kann es nicht besser sagen, denn Gott zieht Seinen Ruhm nicht aus unseren Werken, sondern aus der Ergebung und Gleichförmigkeit mit Seinem göttlichen Willen. Daher ist auch das Wort des hl. Franz von Sales verständlich: „… dass man Gott mehr und heiliger dient im Leiden als im Handeln.“
Wenn wir krank sind, so sollen wir weder Gesundheit noch Krankheit bevorzugen, sondern uns nur in die Hände Gottes geben, damit Er über uns verfügt, wie es Ihm wohlgefällt. Wenn wir jedoch für die Heilung beten wollen, tun wir es zumindest mit einem Herzen, das im Voraus ergeben ist, und tun wir es unter der Bedingung, dass wir die Gesundheit erbitten, wenn sie nicht unserem Seelenheil abträglich ist. Wenn wir nicht so bitten würden, dann wäre unser Gebet fehlerhaft, und es würde nichts erreichen; denn Gott erhört nicht jene Gebete, bei denen die Ergebung in Seinen hl. Willen fehlt.

Alfons von Liguori: "Der Wille Gottes"

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