Dienstag, 31. März 2015

Vom Beten zum Lieben

Vor 200 Jahren, im August 1815, wurde der hl. Don Bosco geboren. Er ging als großer Jugendseelsorger, Visionär, Ordensgründer und Wundertäter in die Kirchengeschichte ein. Beim Seligsprechungs-Prozess fragte der Richter: „Wann hat Don Bosco gebetet?“ Da unterbrach ihn der Papst, der Don Bosco gut gekannt hatte, mit der Gegenfrage: „Nein: Wann hat Don Bosco nicht gebetet?!“ Diese Erkenntnis ist auf den ersten Blick sehr erstaunlich, vor allem in Anbetracht des unglaublichen Arbeitspensums Don Boscos sowie der Zeit, die er täglich mit großer Liebe seinen weit über hundert Jungen widmete.

In guten wie in schlechten Zeiten

Das Gebet ist das Geheimnis, das die Heiligen ausmacht – und es ist die Quelle, aus der Christus selbst seine Kraft schöpfte. Vor allem im Lukasevangelium wird das Beten des Herrn hervorgehoben. Vor besonders wichtigen Aufgaben verbrachte der Herr noch mehr Zeit als sonst im Gebet – so vor der Erwählung der Zwölf Apostel sowie in der Nacht vor seiner Passion im Ölgarten. Auch während der Passion (vgl. Lk 23 und Mt 27) betete er, denn die überlieferten Worte sind Gebete: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ Und: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Und schließlich: „In deine Hände lege ich meinen Geist.“ Jesu Aufschrei „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ist der Beginn von Psalm 22. Der Psalm, der König David (*1034 v. Chr.) zugeschrieben wird, beschreibt prophetisch die ganze Passion Jesu. Es ist ein Psalm, der tiefstes Gottvertrauen, Treue und Hingabe ausdrückt, bevor er mit Vers 31 schließt: „Vom Herrn wird man dem künftigen Geschlecht erzählen, seine Heilstat verkündet man dem kommenden Volk; denn er hat das Werk getan.“
Es ist der Psalm, der demjenigen auf den Leib geschrieben war, der die höchste Heilstat mit den Worten abschloss: „Es ist vollbracht!“(Joh 19,30).
Gerade in der österlichen Zeit dürfen wir diesen Psalm wiederentdecken. Intensiv wird die Betrachtung, wenn man jeden Vers aus der Perspektive Jesu am Kreuz meditiert und sich vergegenwärtigt, dass die Gottesmutter diesen Psalm, den Jesus angestimmt hatte, möglicherweise im
Herzen mitbetete, ihren sterbenden Sohn vor Augen. Wie viel Trost und Kraft kann dieser Psalm dem Beter schenken, der ihn im Blick auf Jesu Passion meditiert! Dass Jesus inmitten unermesslicher Folter nicht fluchte, schmähte, noch seine Henker verurteilte, unterschied ihn von den zwei Räubern, die mit ihm gekreuzigt wurden (vgl. Mk 15,32). Jesus hingegen ließ sich nicht ablenken, er blieb als Betender im Kontakt mit dem Vater. Seine Kraft war das Gebet, das in der Liebe zu Gott und den Menschen wurzelte.

In den Fußspuren Jesu

Von den frühen Märtyrern, aber auch von Heiligen wie Maximilian Kolbe ist überliefert, dass sie singend und betend um ihres Glaubens willen in den Tod gingen. Dieselbe Standfestigkeit zeigten bereits um 600 v. Chr. die drei jungen Männer im Feuerofen, die bereit waren, für den Glauben an Gott zu sterben (vgl. Dan 3,23ff). In derselben Gegend, dem heutigen Irak, wurden im Dezember 2014 einige Kinder enthauptet, weil sie sagten: „Wir lieben Jesus! Wir haben Jesus immer geliebt. Wir sind ihm immer nachgefolgt. Jesus war immer bei uns“ (Bericht von Andrew White, Bagdad).
Standhaftigkeit inmitten der Verfolgung und das Gebet bilden eine Einheit. Das Gebet scheint die Rüstung zu sein, die Verzweiflung und Versuchung fernhält, so dass die Märtyrer weder Zweifeln
noch Ängsten nachgaben. Sie besiegten die Versuchungen des Bösen nach dem Beispiel des Herrn, von dem der Katechismus (2849) sagt: „Nun aber ist ein Sieg in einem solchen Kampf nur im Gebet möglich. Jesus besiegte den Versucher von Beginn an bis zum letzten Kampf in seiner Todesangst durch das Gebet.“
Ein weiteres Beispiel aus unserer Zeit ist ein chinesischer Christ, Heavenly Man, der monatelang vom Regime gefoltert wurde. Er schreibt, dass er während der Folter innerlich Psalmen und Bibeltexte rezitierte, die ihm die Kraft gaben, das Unbeschreibliche auszuhalten. Die Antwort Gottes auf sein Gebet ließ nicht auf sich warten: Eine Serie von außerordentlichen Wundern rettete ihn „vor dem Rachen des Löwen“ (Ps 22,22). Heavenly Man verbrachte den Rest seines Lebens damit, Gottes „Namen meinen Brüdern (zu) verkünden, inmitten der Gemeinde dich (zu) preisen“ (Ps 22,23).
Ähnliches erlebte der slowakische Untergrund-Bischof Paul Hnilica mit anderen von den Kommunisten internierten Priestern. Sie kannten die Liturgie und Teile der Hl. Schrift auswendig und schöpften daraus die Kraft in der Zeit der Verfolgung. Auch sie erlebten nicht nur Leid, sondern in der Folge das Eingreifen Gottes, seinen Schutz und einige Wunder.Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz Die Liebe zum Vater und zu den Menschen war der Schatz und Brennpunkt des Herzens Jesu. Wir aber verlieren den Kontakt zu Jesus, wenn wir um uns selbst kreisen, dem Selbstmitleid verfallen oder uns davon absorbieren lassen, stets anderen die Schuld zuzuschieben. Wer jedoch betet, ist konstant mit Gott verbunden wie ein Navigationsgerät mit den Satelliten, so dass man auf dem Weg zum Ziel, dem Himmel, nicht verloren geht.
Es gibt einen direkten Weg, der vom Gebet zur Liebe führt. Denn Gebet ist Austausch mit Gott, mit ihm sprechen und auf ihn hören. Man kann jemanden nicht lieben, wenn man weder mit ihm spricht noch ihm zuhört. Jeder Mensch sehnt sich innerlich nach Liebe, trotzdem wird das Gebet oft vernachlässigt oder gar gemieden. Der Katechismus (2742) beschreibt es so: „Der Kampf des Gebetes gegen unsere Schwerfälligkeit und Faulheit ist ein Kampf um eine demütige, vertrauende und beharrliche Liebe.“ Wer betet liebt, und wer liebt, ist auf dem Weg zum Himmel – dorthin, wo wir eigentlich zu Hause sind.
Der hl. Johannes Chrysostomus sagt: „Nichts ist so wertvoll wie das Gebet: Es macht Unmögliches möglich und Schweres leicht ... Ein Mensch, der betet, kann unmöglich sündigen.“ Und die hl. Teresa von Avila, deren Geburtstag sich am 28. März 2015 zum 500. Mal jährt, beschwört uns geradezu: „Wer aber noch nicht zu beten angefangen hat, den bitte ich um der Liebe des Herrn willen, er möge doch nicht auf ein so hohes Gut verzichten (...) Denn das innere Gebet ist meines Erachtens nichts anderes als ein Gespräch mit einem Freund, mit dem wir oft und gern allein zusammen sind, weil wir wissen, dass er uns liebt.“
Ist nicht gerade die Fastenzeit eine Möglichkeit, auf vergängliche Dinge zu verzichten? Niemals aber sollten wir verzichten auf das „so hohe Gut“, das uns in allen Lebenslagen Kraft und die Nähe der Liebe Gottes schenkt: das Gebet.

Beatrix Zureich

Die Flamme der Liebe

„Wenn du wissen willst, ob du den Heiligen Geist empfangen hast, so befrage dein Herz: damit du nicht etwa das Sakrament hast und die Kraft des Sakramentes nicht hast. Befrage dein Herz: Wenn da die Bruderliebe ist, so sei ohne Sorge! Die Liebe kann nicht ohne Geist Gottes sein, denn Paulus sagt: ,Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist‘

(Röm 5,5)“


Das obige Zitat stammt vom hl. Kirchenlehrer Augustinus († 430) aus seinem Traktat über „Die Gegenwart des Heiligen Geistes“. Doch was meint er damit, wenn er sagt: „... damit du nicht etwa das Sakrament hast und die Kraft des Sakramentes nicht hast“?

Tatsächlich besteht eine der beiden Hauptwirkungen des Sakraments der Taufe darin, dass wir durch sie im Heiligen Geist wiedergeboren werden (vgl. KKK 1262), und das Sakrament der Firmung bewirkt die besondere Ausgießung des Heiligen Geistes, wie sie einst am Pfingsttag den Aposteln zuteil wurde (vgl. KKK 1302). Das Sakrament der Firmung ist die Vollendung der Taufe (vgl.
KKK 1304). Ein Indiz dafür, dass viele getaufte und gefirmte Christen dennoch „die Kraft des
Sakraments“ nicht haben, ist die mangelnde Attraktivität des Glaubens in unseren Breiten. Tatsache ist: Der Glaube und die Kirche haben keine gute Presse. Doch es bringt uns nicht weiter, nur den Medien die Schuld zu geben. Wer die Welt verändern will, muss bei sich selbst beginnen. Daher muss ich mich fragen: Habe ich nur die Sakramente empfangen, oder habe ich auch „die Kraft des Sakraments“? Habe ich die Liebe?


Der große Unbekannte


Wir haben es unzählige Male gehört: Gott ist die Liebe. Diese vier Worte sind einfach, und doch ist uns ihr Inhalt oft ferner als die äußerste Galaxie unseres Sonnensystems. Vielleicht liegt es daran, dass wir uns Gott und seiner Liebe rational zu nähern versuchen. Dadurch bleibt er für uns abstrakt wie eine Algebra-Formel. Und der Heilige Geist, dessen erste Gabe für uns die Liebe Gottes ist, bleibt der „große Unbekannte“ im Leben vieler Christen.
Im Gegensatz dazu steht das Beispiel der Urchristen und der Heiligen. Für sie war Liebe nichts Abstraktes, ebensowenig wie der Heilige Geist. So sandten sie ihren Mitchristen Briefe, in denen sie
schrieben: „... der Heilige Geist und wir haben beschlossen ...“ (vgl. Apg 15,28). Sie teilten, halfen den Armen und waren „ein Herz und eine Seele“(vgl. Apg 4,32). Mit anderen Worten: Sie hatten nicht nur das Sakrament empfangen, sondern setzten die Liebe zu Gott und den Mitmenschen
ganz praktisch in ihrem Leben um. Es reicht nicht, dass wir viel über Gott wissen. Vielmehr müssen wir den Glauben vom Kopf ins Herz und von dort in die Hände und Füße rutschen lassen. In diesem Sinne lud die selige Mutter Teresa einen jungen Mann, der als Voluntär in Kalkutta helfen wollte, mit den Worten ein: „Alles, was du brauchst, sind zwei helfende Hände und ein liebendes Herz.“

Verwandelndes Feuer


Jesus sagte (Lk 12,49): „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!“ Nach seiner Auferstehung, am Pfingstmorgen, kam der Heilige Geist in
„Zungen wie von Feuer“ auf die Jünger herab und erfüllte sie (vgl. Apg 2,3f).
Es ist derselbe Heilige Geist, der uns durch die Sakramente erfüllen will und nur darauf wartet, dass wir es ihm erlauben. Gott zwingt niemanden, er wartet geduldig und sehnsüchtig auf unser Ja. Gott, der die Liebe ist, umwirbt jede Seele, wie ein Verliebter seine Geliebte umwirbt. Dies beschreibt das Hohelied der Liebe in der Heiligen Schrift in wundervollen poetischen Bildern.
Für uns stellt sich die Frage: Habe ich den Mut und bin ich bereit, ja zu sagen? Wenn ich Gott aufrichtig in mein Leben einladen will, wird er mir den Mut dazu schenken. Er ist es, der uns Gebete wie dieses eingibt: „Mein Gott, komm mit dem Feuer deines Heiligen Geistes und verwandle mich! Mein Gott, hilf mir, mich von ganzem Herzen in dich zu verlieben!“

Ein neues Leben


Wie sehr der Heilige Geist unser Leben zu verwandeln vermag, zeigt das Beispiel der ersten Christen, die nach dem Pfingsterlebnis furchtlos, mit Festigkeit und voller Nächstenliebe auftraten. Sie wirkten in der Liebe des Heiligen Geistes, die so anziehend war, dass sich ihnen Tausende anschlossen (vgl. Apg 4,4). Als Christen ist es unsere Berufung, die Visitenkarte der Liebe Gottes hier auf Erden zu sein, damit das Pauluswort auch auf uns zutreffen möge (2 Kor 3,3): „Unverkennbar seid ihr ein Brief Christi, ausgefertigt durch unseren Dienst, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf Tafeln aus Stein, sondern – wie auf Tafeln – in Herzen von Fleisch.“
Um ein Brief Christi zu sein, genügt es, Gott und die Menschen von Herzen zu lieben. Der Heilige Geist der Liebe wartet nur darauf, dass wir ihn um Hilfe bitten, denn ohne ihn vermögen wir nichts. Die Liebe verändert die Welt. Unser Gott ist mächtig, seine Botschaft der Liebe kann alle und alles verändern. Die Christenverfolgung, die vor 2000 Jahren begann und heute blutige Urstände erlebt, sollte uns aufrütteln. Antichristliche Gruppen und Regierungen versuchen, das Christentum auszurotten, weil sie dessen befreiende, verwandelnde Macht fürchten. Es ist höchste Zeit, dass auch wir Christen uns dieser Macht der Liebe bewusst werden und den Heiligen Geist in unser Leben einladen. Geben wir ihm eine Blankovollmacht, und er wird unser Leben mit der Flamme seiner Liebe verwandeln und durch uns das Antlitz der Erde erneuern.

Beatrix Zureich