Donnerstag, 1. Juni 2017

PFINGSTEN

Nicht nur für Firmlinge, sondern auch für viele ältere Christen bleibt der Heilige Geist „der unbekannte Gott“, obwohl er es ist, den wir seit der Taufe in unserer Seele tragen, der in uns betet, der uns zur Liebe zu Jesus und zum Vater drängt. Höchste Zeit also, ihn kennen und lieben zu lernen!

Den Schlüssel dazu möchte uns die Person schenken, die den Heiligen Geist besser kennt als alle anderen Menschen: Maria, die Mutter Jesu. „Verehren wir Maria im Abendmahlssaal! Und wenn auch wir den Heiligen Geist empfangen wollen, so sollen wir Maria als Lehrerin, als Gebetsbegleiterin und als Gnadenvermittlerin erwählen.“ Diese Worte stammen von der sel. italienischen Ordensgründerin Elena Guerra († 1914). Sie nannte sich die „Gepäckträgerin des Heiligen Geistes“, da sie nur einen Wunsch hatte: den Heiligen Geist bekanntzumachen. Sr. Elena ist es, die Papst Leo XIII. dazu bewegte, am 1. Januar 1901 das ganze Jahrhundert dem Heiligen Geist zu weihen und in seiner Heilig-Geist-Enzyklika allen Gläubigen die Pfingstnovene zu empfehlen.

Die Liebe Gottes ist ausgegossen

Im Römerbrief 5,5 heißt es: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ Die Urchristen hatten dafür ein lebendiges Beispiel vor Augen: Maria, die Mutter Jesu. Nach dem Foltertod Jesu hätte sie sich verbittert und innerlich verletzt von allen zurückziehen können. Maria hätte die Feigheit, Treulosigkeit und Mitschuld der Einzelnen am Tod Jesu anprangern und sich von den Freunden Jesu trennen können – für immer.
 Das Außergewöhnliche an ihr ist, dass sie trotz aller traumatischen Erlebnisse die reine Liebe nie verloren hat. Sie war „Tempel Gottes“ (vgl. 1 Kor 3,16), da der Heilige Geist Gottes in ihr wohnte wie in keinem anderen Menschen. Nur durch den Geist der Liebe konnte Maria den Weg Jesu bis unter das Kreuz und darüber hinaus mitgehen, ohne zusammenzubrechen.

Ein Leben aus dem Heiligen Geist

Wie der hl. Franz von Sales († 1622) feststellt, handelt der Heilige Geist in Maria, ohne auf Hindernisse zu stoßen. Die Liebe des Heiligen Geistes ist sanft, anmutig, voll Frieden und Ruhe. Wo dieser Fluss der Liebe des Heiligen Geistes auf Hindernisse im Menschen trifft, kann es manchmal Erschütterungen geben. Nicht so bei Maria, deren Herz und Seele so weit offen stehen, dass der Heilige Geist wie ein ruhiger Strom in Fülle in ihr fließen kann.
Nie beleidigte Maria den Heiligen Geist (vgl. Eph 4,30), sondern widerstand aller Bitterkeit, Vergeltung und Unversöhnlichkeit. Staunend preisen wir Gott für den Heiligen Geist, der in Maria wirkte, auch dann, als sie den Tod ihres Sohnes miterleben musste. In Maria wird Realität, was der hl. Paulus im Hohelied der Liebe schreibt: „Sie … trägt das Böse nicht nach … Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand“ (1 Kor 13,5.7).

Der Geist der Wunder

Im Gegensatz zur Urkirche rechnen wir heute viel zu wenig mit dem Wirken des Heiligen Geistes. Im Leben Jesu und seiner Heiligen ist es dieser Geist der Liebe, der das Unmögliche ermöglicht und menschliche Herzen mit übermenschlicher Liebe erfüllt. Daher schreibt die sel. Elena Guerra: „Die Herabkunft des Heiligen Geistes (an Pfingsten) war keine vorübergehende Erscheinung. Sie hat sich in ein wahres und wirkliches Gegenwärtigsein verwandelt, denn ER ist mitten unter uns, nicht weniger als am Pfingsttag im Abendmahlssaal, wenn auch für unsere Sinne nicht begreifbar … Die Apostel und die ersten Christen brauchen wir nicht zu beneiden; wir müssen uns nur so wie sie vorbereiten, um Ihn gut zu empfangen. Dann wird ER kommen, so wie es sich bei ihnen ereignet hat.“
Das Leben der hl. Crescentia von Kaufbeuren († 1744) beweist, dass es möglich ist, ganz aus dem Heiligen Geist zu leben. Seit ihrer Kindheit hatte sie Visionen des Heiligen Geistes, dessen Führung sie ihr Leben anvertraut hatte. Sie ist die einzige Heilige, die den Heiligen Geist nicht nur als Taube oder Flamme schaute, sondern als „lichtes Knäblein, in weißem Gewand, sein Haupt umgeben von sieben lieblichen Feuerzungen“. Als Crescentia heranwuchs, schaute sie den Heiligen Geist später als „strahlenden Jüngling“.
Mit ihm, der jedes Menschenherz mit der Liebe zum Vater und zum Sohn durchdringen möchte, konnte Crescentia die härtesten Prüfungen bestehen. So schöpfte sie auf Geheiß der Oberen mit einem Sieb Wasser, ohne sich gegen das unsinnige Gebot aufzulehnen – und das Wunder geschah: Ohne einen Tropfen zu verschütten, blieb das Wasser im Sieb. Durchdrungen vom Heiligen Geist sehnte sich Crescentia nach dem täglichen Empfang der hl. Kommunion, was damals nicht selbstverständlich war. Ihre Mitschwestern und die Priester sahen mehrfach, wie die hl. Kommunion zur hl. Crescentia schwebte und in sie einging. Sie brannte für Gott und verzehrte sich aus Liebe zu ihm in einer Weise, dass sogar ihre Körpertemperatur dies ausdrückte – Crescentia glühte, selbst im tiefsten Winter. Dieses Phänomen ist u. a. auch vom hl. Pater Pio bekannt.
Crescentia und Pater Pio waren stigmatisiert, erlebten Visionen und vieles mehr. Doch auch wir „einfachen Leute“ sind zu einem Leben aus dem Heiligen Geist berufen. Um ihm Raum zu geben, empfiehlt die sel. Elena die Pfingstnovene zum Heiligen Geist. Ganz gleich, wie schwach, geistig ausgetrocknet oder unfähig wir uns fühlen mögen – der Heilige Geist wartet nur darauf, in unser Herz eingeladen zu werden. Mit Maria und den Heiligen wird ER uns hineinziehen in das Gebet vom Abendmahlssaal. Dort betete die Urkirche auf die Bitte Jesu hin, und Jesus wünscht auch heute, dass wir in dieses „universelle Gebet zu seinem Herzen“ eintreten, so seine Worte an Sr. Elena. „Gott liebt dich wie seinen Augapfel. Als er dich schuf, zog er dich wie einen Liebesseufzer aus seinem Herzen. Du kannst durch ein unbegrenztes Vertrauen zu ihm zurückkehren“, schrieb die sel. Elena. Wagen wir es, mit ihr, den Heiligen und geführt von Maria zum Heiligen Geist zu rufen wie noch nie zuvor!

von Beatrix Zureich

Zuerst erschienen in "Maria - das Zeichen der Zeit (MZZ)" Nr. 176