Freitag, 13. Juni 2014

Pfingsten erleben

Am Beginn unserer Kirche steht der folgenreichste Missbrauch in der Menschheitsgeschichte: Judas, einer der Auserwählten, ein enger Freund des Herrn und Gottes Jesus Christus, missbraucht dessen Liebe, Vertrauen und Freundschaft. Gott wird zum Opfer missbrauchter menschlicher Freiheit. Der Tod Jesu erschüttert nicht nur das Herz Seiner Mutter und Freunde, sondern auch die Natur. Dem Erdbeben folgt eine unheimliche Stille.

Nach diesen traumatischen Ereignissen sind alle Zeugen der Passion – auch jene, die geflohen sind – auf sich selbst gestellt. Jesus ist tot; was bleibt, ist die Schuld und das Versäumnis der Menschen. Die Zeit bis zur Auferstehung Jesu wird zur Chance, in sich zu gehen. Von Petrus, der zerknirscht und erschüttert bereut, berichtet Lukas 22,62: „Und er ging hinaus und weinte bitterlich.“ In unserem ältesten Gebetbuch, dem Buch der Psalmen, heißt es: „Nahe ist der Herr den zerbrochenen Herzen, er hilft denen auf, die zerknirscht sind“ (Ps 34,19). Diese Wahrheit erlebte Petrus am eigenen Leib, ebenso die anderen Jünger, und sie gilt für alle Generationen. Diese Chance, durch die Konfrontation mit meiner ganz persönlichen Schuld und meiner Lieblosigkeit zerknirscht um die Vergebung des Herrn zu bitten, ist der erste Schritt auf Pfingsten zu!

Verharren im Gebet

Als der auferstandene Herr sich Seinen Freunden zeigte, war Sein erstes Wort „Friede“ (Lk 24,36). Dieser Friede war die Frucht ihrer Reue und Seiner Vergebung. Doch Er hatte noch einen Wunsch: Sie sollten in Jerusalem bleiben und dort auf die Herabkunft des Heiligen Geistes warten (Apg 1,8). Im Obergemach verharrten sie einmütig im Gebet (Apg 1,14) Dieser Wunsch des Herrn hallt durch alle Zeiten und ergeht an jede Generation. Im 19. Jh. legte Gott der italienischen Ordensfrau Elena Guerra ins Herz (†1914), zur Erneuerung der Kirche durch die Rückkehr zum Heiligen Geist aufzurufen. Die Selige schrieb 13 Briefe an Papst Leo XIII., der daraufhin eine Enzyklika über den Heiligen Geist veröffentlichte. Elena jedoch war traurig, weil die Bischöfe und Gläubigen die Enzyklika und die Rolle des Heiligen Geistes im eigenen Leben so wenig berücksichtigten. Die Einladung ergeht daher immer noch – und heut an uns –, uns geistigerweise ins Obergemach zu begeben und um den Heiligen Geist zu flehen.

Mit Maria den Heiligen Geist erbitten

Jesus lebte im ständigen Gebet zum Vater, Seine Worte und Taten waren ein Echo dessen, was Er vom Vater gehört und gesehen hatte. Nach der Himmelfahrt Jesu blieb den Jüngern nur noch die Mutter Jesu, Maria. Sie war die lebendige Erinnerung an Jesus, Ihm ähnlich im Wesen, Beten und Lieben. Obwohl das Echo der Passion immer in ihrem Herzen blieb, verfiel Maria nicht in Anklage, Bitterkeit oder Hass. Davor bewahrte sie die reine Liebe, welche Paulus besingt (1 Kor 13) und die in Maria Realität wurde: „Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig ...Sie lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach ... Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf." Können Sie sich vorstellen, wie brennend Maria um den Heiligen Geist gebetet haben muss? Als einziger Mensch wusste sie, was es heißt, vom Heiligen Geist überschattet zu werden: So hatte sie Jesus 33 Jahre zuvor empfangen ... Maria hatte alles verloren und losgelassen: Ihren verstorbenen Mann Josef sowie Jesus, ihren Sohn, Meister und Erlöser. Was ihr blieb, waren Seine Worte im Herzen, Erinnerungen und ihre Liebe. Wenn Maria das Vaterunser betete, muss sie den ganzen Himmel auf die Erde herabgezogen haben. „Dein Wille geschehe“ – wie schwer mögen ihr diese Worte unter dem Kreuz gefallen sein, doch wie flehentlich mag sie dieselben Worte inmitten der 120 Jünger gebetet haben, getrieben von der Sehnsucht nach dem Heiligen Geist der Liebe des Vaters und des Sohnes.
Jesus ist der größte Beter unter allen Menschen, Ihm gleich wurde Maria. Jesus betete noch am Kreuz die ersten Worte des Psalmes 22: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Maria und die im Obergemach um sie Versammelten verkörperten die Verheißung, mit welcher der Psalm 22 schließt: „Die ihr den Herrn fürchtet, preist ihn! ... Vor ihm allein sollen niederfallen die Mächtigen der Erde ... Vom Herrn wird man dem künftigen Geschlecht erzählen, seine Heilstat verkündet man dem kommenden Volk; denn er hat das Werk getan!“ Mit gewaltigem Brausen kam der verheißene und ersehnte Geist auf alle herab und erfüllte das ganze Haus. Erfüllt vom Heiligen Geist, begannen alle in fremden Sprachen zu reden – „Seine Heilstat verkündeten“ sie, die Prophetie des Psalmes 22 erfüllend.
Der Leib Christi, die Kirche, leidet noch heute unter Verrat, Missbrauch und der Feigheit der heutigen „Jünger Jesu“ – das sind wir. Bitten wir um die Fürsprache unserer heiligen Vorbilder Petrus, Maria und der seligen Elena Guerra, damit wir lernen, uns nach ihrem Beispiel vom Heiligen Geist ergreifen zu lassen. Die Erneuerung der Kirche ist dringend nötig: Sie kann und muss bei mir und dir beginnen.
Der Geist Gottes wartet nur darauf!

Beatrix Zureich

Zuerst erschienen in Maria - Das Zeichen der Zeit Nr. 141

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