Dienstag, 24. Juni 2014

Das Bild des Herrn

2015 wird das berühmte Turiner Grabtuch wieder der Öffentlichkeit gezeigt. Trotz vieler Kontroversen weisen die Indizien darauf hin: Es ist das wahre Bild Christi, das schon die Apostel, die Gottesmutter und viele Urchristen betrachtet haben.
Eine Theorie besagt, ein starker, extrem kurzer Lichtblitz, ausgehend vom Körper des Toten bei der Auferstehung, habe Sein Abbild so fein, aber doch so klar in das antike Tuch „gebrannt“. Die Besonderheit des Bildes besteht darin, dass es ein Fotonegativ ist, d. h. erst die moderne Fotografie konnte im Jahr 1898 den plastischen „Abzug“ dieses Negativs liefern.


Lebendige Abbilder Jesu

Noch wertvoller als das Grabtuch als „Ikone Christi“ ist aber ein anderes Bild: Der Abdruck Jesu Christi in unserem Herzen, in unserer Seele. Jeder von uns sollte ein „Grabtuch“ sein – ein Abbild Jesu und ganz von Ihm geprägt: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und Deine Auferstehung preisen wir, bis Du kommst in Herrlichkeit!“ Dieses Gebet sprechen wir in jeder heiligen Messe. Es ist ein „Grabtuch-Gebet“, denn gleich diesem Tuch sind wir in dieser Welt eine Erinnerung an den Tod, die Auferstehung und die Wiederkunft Christi in Herrlichkeit.
Wie das Tuch den Leib des Erlösers umgab und durch die Kraft des Heiligen Geistes das Bild Jesu in der Welt lebendig gehalten hat, ist es unsere Berufung, unser Berührt-Sein von Jesus in die Welt zu strahlen. Wenn andere uns sehen oder begegnen und sich ein Bild von uns machen, so mögen sie nicht nur den schlichten Stoff sehen, aus dem wir gewoben sind, sondern einen Abzug des Antlitzes Jesu erkennen.

Maria – ein Abbild der Liebe Jesu

Versuchen wir, die Beziehung zwischen Maria und ihrem Sohn Jesus zu erfassen, können wir nur staunend sagen: „Mein Gott, wie sehr hat sie Dich geliebt!“ Wer sich umschaut und betrachtet, wie innig eine ganz gewöhnliche Mutter ihr Kind liebt, sich für es aufopfert, es liebevoll an sich drückt – von welcher Dimension muss dann die Liebe Marias zu Jesus gewesen sein: Schon bei der Verkündigung vom Heiligen Geist überschattet (vgl. Lk 1,35), muss sie Jesus nicht nur rein mütterlich, sondern aus der brennenden Liebe des Heiligen Geistes heraus geliebt haben. Und Er, Jesus, liebte Seine menschliche Mutter mit kindlicher und zugleich göttlicher Liebe ... welch ein Mysterium!
Doch seit den Worten des greisen Simeon im Tempel (vgl. Lk 2,35), die durch Jesu Ankündigung Seines Leidens und Sterbens (vgl. Lk 18,31ff) bestätigt wurden, wusste Maria, dass ihre Liebe auch Quelle ihres größten Leidens sein würde. Sie wusste, dass sie ihren Lebensinhalt, Jesus, loslassen musste. „Stark wie der Tod ist die Liebe“, singt das Hohelied (8,6). Wie sehr trifft das auf die Mutter unter dem Kreuz zu! Den Tod des geliebten Kindes vor Augen, prägt sich jedes seiner Worte, jede Geste durch den Laserstrahl der leidenden Liebe ins Herz ein. Maria konnte nicht anders als vor Ort sein an jenem Karfreitag, an dem Jesus sich hingab. Ihr Leben lang würde sie diesen Tag nicht mehr vergessen und selbst vom Kreuz geprägt sein, bis in Ewigkeit ...
Als die Gottesmutter Jahrhunderte später, im Jahr 1858, der hl. Bernadette in Lourdes erschien, gab Maria dem Mädchen eine Kurzkatechese über das Kreuzzeichen. Zeugen berichteten, dass Bernadette seit der Begegnung mit Maria das Kreuzzeichen mit besonderer Andacht machte. Später fragte eine Ordensfrau die Heilige: „Was muss man tun, um ganz sicher in den Himmel zu kommen?“ Bernadette antwortete ohne zu zögern: „Wenn man das Kreuzzeichen richtig macht, ist schon vieles gewonnen!“ Für Bernadette, aber auch für die Heiligen aller Jahrhunderte (z.B. Benedikt, Franziskus, Teresa von Avila) war das Kreuz zeichen ein lebendiges Bild der Liebe Jesu zu uns. Auch wir sind eingeladen, uns beim Kreuzzeichen im Geiste neben Maria zu stellen und es wie sie betend zu erleben.
Was muss im Herzen der Mutter vorgehen, wenn sie das Zeichen des Kreuzes mit der Hand über Kopf, Brust und Schultern zeichnet? Gewiss steigen Bilder auf, wie Jesus sie vom Kreuz herab ansah – die Qual in Seinen Augen, gleichzeitig Seine unsterbliche Liebe ...

Mutter Maria, dir war Jesus aus dem Gesicht geschnitten. Seit Seinem Tod bis heute sind die Worte, das Leiden und die Verherrlichung Jesu in dein Herz und in deine Seele eingeprägt. Hilf uns beten und leben wie du – mit einem Echo Seiner Stimme im Herzen, mit einer überirdischen Sehnsucht, auf ewig bei Ihm zu sein! Wenn du Psalmen gebetet hast, sprach dein Mund die Worte aus, die du so oft aus dem Mund Jesu hörtest, und beim Vaterunser war deine Stimme ein Echo Seiner Worte ... Vor deiner Seele standen unzählige Erinnerungen daran, wie Er dieses Gebet zum Vater rief, in Seinem unvergesslichen Tonfall und Seinen Handbewegungen, mit der barmherzigen Liebe in Seinen Augen... Mutter Maria, führe uns und bete mit uns, damit wir am Ende unseres irdischen Lebens vor den Vater im Himmel treten und Er in uns ein wahres Abbild Jesu erkenne.
Amen

von Beatrix Zureich

Zuerst erschienen in "MARIA - Das Zeichen der Zeit" (MZZ) Nr. 140

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