Mittwoch, 20. August 2014

Sie riskieren viel!


Geschichten, die das Leben schrieb, können den Glauben und das, worauf es im Christentum wirklich ankommt, oft besser verdeutlichen als theoretische Abhandlungen. Abbé Pierre Lefèvre stellt uns – im dritten Band von „Kleine Geschichten – große Wahrheiten“ – solche Geschichten vor:

Ein Pfarrer in Paris konnte die letzten Momente im Leben einer Frau aus seiner Pfarrei nicht vergessen. Diese Frau hatte den Sakramentenempfang abgelehnt, doch auf die Bitte ihrer Tochter hin erklärte sie sich schließlich mit einem Besuch des Pfarrers einverstanden. Der Priester merkte schnell, dass die Sterbende verbittert und nicht im Frieden war. Er fragte sie, ob er etwas tun könne, um es ihr leichter zu machen. Sie gab keine Antwort. Er fragte sie, ob es vielleicht jemanden gäbe, dem sie böse wäre. Nach einem Augenblick des Schweigens sagte sie: „Ja, ich bin meinem Bruder böse. Er hat mir meinen Erbteil gestohlen, das werde ich ihm nie verzeihen!“
Der Priester erinnerte sie an die Warnung des Heilands: „Wenn ihr nicht vergebt, wird auch euer himmlischer Vater euch nicht vergeben.“ Die Antwort ließ nicht auf sich warten: „Ich weiß, dass Gott mir nicht vergeben wird, aber das ist mir egal.“ – „Also da riskieren Sie aber viel“, meinte der Priester. Die Frau antwortete kalt: „Ich weiß, dass ich verdammt werde, aber dann kann ich wenigstens die ganze Ewigkeit lang meinen Bruder hassen.“
Der Priester wusste nicht weiter. Er fiel schließlich auf die Knie und betete: „Heilige Maria, Mutter Gottes, jetzt, in der Stunde unseres Todes, bitte für uns!“ Da brach die Frau plötzlich in Tränen aus und rief: „Ich vergebe, ich vergebe! Herr, vergib auch mir!“ Mit einem Lächeln verstarb sie nach wenigen Minuten.


Aus "Kleine Geschichten - Große Wahrheiten (Band 3)" von P. Pierre Levebvre

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