Donnerstag, 31. Juli 2014

Das Wort Gottes - Schlüssel zur Liturgie

Haben Sie schon einmal versucht, in der Dämmerung ein Buch zu lesen? Oder gar im Dunkeln?
Das Buch liegt vor Ihnen, es wurde in Ihrer Sprache verfasst, und Sie möchten wissen, was darin steht, denn es wurde Ihnen mit den Worten überreicht:Das ist ein langer Liebesbrief an dich!
Die Lösung ist einfach, denn nun müssen Sie sich nur noch eine Lichtquelle suchen, um das Buch und die liebevolle Nachricht darin zu lesen. Diese Worte verändern gewiss Ihr Leben, denn sie können Ihr Herz öff nen für die Liebe eines anderen, derer Sie sich zuvor nicht wirklich bewusst waren.

Sicher haben Sie bemerkt: Dieses Beispiel zielt auf die Heilige Schrift. Dort gibt es eine kostbare Botschaft, doch in unserem Innern ist eine gewisse Dunkelheit, die der Seele nicht gestattet, das Wort wirklich aufzunehmen. Was wir brauchen, ist Licht: geistliches, göttliches Licht. Wir brauchen das Licht des Heiligen Geistes.

Das lebendige Wort

Der Unterschied zwischen Gottes Wort und menschlichen Worten besteht darin, dass Gottes Wort lebendig ist (Hebr 4,12). Was bedeutet das? Die Antwort finden wir bei Jes 55,10f: „So ist es auch mit dem Wort, das meinen (Gottes) Mund verlässt: Es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will, und erreicht all das, wozu ich es ausgesandt habe.“ Wahre Beispiele dafür sind Menschen, auch Atheisten oder Gegner der Kirche, die „zufällig“ eine Kirche betreten, um sie zu besichtigen, während darin ein Gottesdienst stattfindet; und gerade wird eine Stelle aus Jesaja (19,15) vorgelesen, wo Gott durch den Propheten sagt: „Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergessen würde: ich vergesse dich nicht.“ Tief im Herzen getroffen, findet der Atheist zu Gott und zur Kirche … Gottes Wort ist wirklich machtvoll, es kann Leben verändern.
Unter den 150 Psalmen gibt es einen, den längsten (Ps 119), der ausschließlich von Gottes Wort handelt. Unzählige Generationen bis heute reflektieren und beten ihn, z. B. König David, Jesus, die Gottesmutter, die Apostel und Menschen wie Sie und ich. Verse aus Psalm 119: „Öffne mir die Augen für das Wunderbare an deiner Weisung!“ (18). „Das Wesen deines Wortes ist Wahrheit, deine gerechten Urteile haben alle auf ewig Bestand“ (160). „Deine Worte sind rein und lauter, dein Knecht hat sie lieb“ (105).
Können wir das heute auch von uns sagen? Schätzen wir Gottes Wort, liebenwir es? In China riskierten Christen Gefängnisstrafen, wenn sie die Bibel besaßen, ebenso ist es noch heute in einigen Ländern. Wir aber haben die Bibel zur Hand, doch gehört sie nicht zu den am wenigsten gelesenen Büchern im Regal?

Das Wort Gottes lieben

Ich war gerade 20 Jahre alt, als mir in Westafrika von den Armen die Augen für den Wert von Gottes Wort geöffnet wurden. Bei einer Wallfahrt im Busch staunte ich, wie in der dortigen Fatima-Grotte eine „Feier der Heiligen Schrift“ stattfand. Alle Pilger kamen in langer Prozession zum Altar, wo die offene Bibel lag. Nie vergesse ich, wie eine arme blinde Frau die Seiten der Schrift berührte, dann ihre Augen anfasste und voll Ehrfurcht ein Kreuzzeichen schlug und sich verneigte. Später wurde ich Zeuge, wie ein unheilbar Kranker, der sehr an off enen Beinen litt, zum Priester kam. Der mittellose Priester gab, was er hatte: „Bete Psalm 63 jeden Morgen und Abend! Vertrau auf Gott.“ Der Mann kam nach drei Tagen zurück,um Gott für seine Heilung zu danken …

Das Wort in der Liturgie

Eine Lesung aus dem Alten Testament, der Apostelgeschichte oder den -briefen, das Evangelium mit Jesu Worten und Taten, der Antwortpsalm, die Gebete, die oft auf Schriftversen gründen: All dies soll unser Herz bereiten, um Jesus in der Kommunion zu empfangen. Wenn Gott selbst, Jesus selbst in der hl. Eucharistie in uns eingeht, in uns „Fleisch wird“, kann man sich eigentlich nie gut genug auf den Besuch dieses hohen Gastes vorbereiten. Die Liturgie hilft uns dabei, und sie wählt als ideale Vorbereitung das Wort Gottes, damit wir Jesus, die Mensch gewordene Liebe des Vaters, mit liebevollem Herzen empfangen können. Das Wort Gottes wäscht uns in gewisser Weise rein für das Mahl. Auch Jesus wusch den Aposteln vor dem Abendmahl die Füße. Dann, vor seiner Passion, sagte Jesus zu den Aposteln: „Ihr seid schon rein durch das Wort, das ich zu euch gesagt habe“ (Joh 15,3). Die Frage an uns heute ist: Erlaube ich dem Wort, mich zu berühren, mich zu reinigen? Bin ich mir bewusst, in den Worten Jesu im Evangelium die Stimme des Vaters zu hören, denn Jesus sagt: „Was ich also sage, sage ich so, wie es mir der Vater gesagt hat“ (Joh 12,50). Das Zweite Vatikanische Konzil wollte uns beschenken, so dass wir das Wort Gottes in der Liturgie in der Muttersprache hören und noch besser verinnerlichen können. Die Kirche gibt an Sonntagen zwei Lesungen vor, dazu kommt das Evangelium. An Werktagen ist nur eine Lesung und das Evangelium vorgesehen. Schätzen wir dieses Geschenk wirklich?
Auf vielen Reisen besuchte ich die hl. Messe in Ländern Asiens, Afrikas, Nordamerikas und Europas. Dabei fiel mir in den deutschsprachigen Länder auf, dass wir die zweite Lesung an Sonntagen „einsparen“. Stattdessen wird oft nach der Kommunion eine „Meditation“ verlesen. Vielleicht ist das Wort Gottes für uns so wenig attraktiv, weil wir es im „Dunkeln“ lesen, denn im Licht des Heiligen Geistes würde unser Herz gewiss mit großer Liebe und Sehnsucht nach Gottes Wort entfacht …
Weit musste ich reisen, um von Menschen in der „Dritten Welt“ die Liebe zum Wort Gottes zu lernen. Möge der Heilige Geist in mir und in allen eine große Liebe zum Wort Gottes entzünden!

Beatrix Zureich
Zuerst erschienen in MARIA - Das Zeichen der Zeit

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