Mittwoch, 6. Mai 2015

DIE TUGENDEN MARIENS

Vor beinahe 400 Jahren schrieb die spanische Äbtissin Maria von Agreda ihre Offenbarungen über das Leben der Gottesmutter nieder. Dieses Werk beruht auf Visionen und beschreibt das Leben Mariens von ihrer Empfängnis bis zum Tod, wobei besonderes Gewicht darauf gelegt wird, wie sie durch ihre Tugenden Gott verherrlichte.
Dieses Werk, aus dem untenstehendes Zitat stammt, kann Laien und Ordensleuten Impulse für eine vertiefte Spiritualität schenken, um nach Mariens Beispiel in den Tugenden zu wachsen. Für die Mystikerin Maria von Agreda, die 1665 im Ruf der Heiligkeit starb und deren Leib bis heute unverwest in einem Schrein in Agreda zu sehen ist, wurde aufgrund ihrer Tugenden ein Seligsprechungsprozess eingeleitet.


Die Tugend der Mäßigkeit

Sanftmut bezähmt den Zorn, Milde mäßigt die Strafe. Maria hatte keinen Zorn zu bezähmen. Diese natürliche Anlage gebrauchte sie nur in Starkmut gegen die Sünde und gegen den Satan. Sie verlangte nie, Menschen zu bestrafen. Kein Anlass erregte ihren Zorn. Immer blieb ihre innere und äußere Ruhe vollkommen sanft, unveränderlich und unnachahmlich. Bei ihr gab es keine Veränderung der Miene, in der Stimme oder in den Bewegungen, die Regungen des Zornes bekundet hätten. Der Herr benützte diese ihre Sanftmut und Milde als Werkzeug für Seine eigene und teilte durch sie alle Wohltaten und Wirkungen Seiner ewigen Erbarmungen aus.
Darum musste die Milde unserer lieben Frau im Verhältnis zur Milde unseres Herrn stehen (...) Um von den andern in der Mäßigung eingeschlossenen Tugenden würdig zu sprechen, namentlich von der Demut, Lebensstrenge und Armut der seligsten Jungfrau, bedürfte es Engelszungen und vieler Bücher. Von dem, was ich darüber zu sagen vermag, ist die ganze vorliegende Lebensgeschichte voll. Aus allen Handlungen Mariä leuchtet vor jeder anderen Tugend ihre unvergleichliche Demut hervor (...) Wunderbar war auch ihre Anmut und Lebensstrenge. Sie konnte über alle Geschöpfe als Herrin verfügen, aber sie verzichtete auf alles, was der Herr in ihre Hände gelegt hatte, um ihren heiligen Sohn nachzuahmen. Gleichwie der Vater seinem Sohn alles in die Hände gegeben hatte, so legte dieser alles in die Hände Seiner Mutter. Sie aber tat wie Er und verzichtete auf alles im Herzen und in der Tat zur Ehre Gottes.
Über ihre Sittsamkeit im Benehmen, ihre Sanftmut im Reden und ihr ganzes Äußeres genügt zu sagen, dass man sie wegen der unaussprechlichen Würde, die in alldem zutage trat, für ein übermenschliches Wesen hätte halten können, wenn der Glaube nicht gelehrt hätte, dass sie ein bloßes Geschöpf war.
 
(Aus: Maria von Agreda, Leben der jungfräulichen Gottesmutter Maria, Band 1, S. 424ff)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen