Samstag, 3. Oktober 2015

ERNTEgeDANKen

Im Oktober feiern viele Pfarreien das Erntedankfest im Gedenken daran, dass die Erntegaben nicht nur Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit, sondern auch Zeichen des Segens und der Liebe Gottes sind. Gleichzeitig ist Erntedank eine Einladung zurückzuschauen – in Dankbarkeit.

Jesus sagt: „Ich bin der Weinstock ...“


Diese Worte Jesu (Joh 15,5) weisen darauf hin, dass ich durch meine Taufe ein Rebzweig bin, eingepfropft in den Weinstock Gottes. Ich bin Sonnenschein, aber auch Wind, Regen oder gar Hagel ausgesetzt, der meine Blätter zerfetzt. Andere Rebzweige umgeben mich, manche helfen mir, meine Ranken auszustrecken, andere drücken mich weg und rauben mir das Sonnenlicht. Der Gärtner schneidet mich zurück, Insekten kommen und befruchten die Blüten, die ich hervorbringe. Andere Insekten hinterlassen winzige Eier, und meine Früchte und Blätter fallen der Gefräßigkeit der Larven zum Opfer.
Wenn ich mir meine Misserfolge und verpassten Chancen sowie das, was meine Umgebung dazu beigetragen hat, näher betrachte, erfasst mich Unzufriedenheit. Diese jedoch ist ein Alarmzeichen dafür, dass ich den Überblick verloren habe und Ablenkungen zum Opfer gefallen bin. Denn Ablenkung ist es, Vergangenes durch das Vergrößerungsglas der Unzufriedenheit zu sehen und am Ende zu meinen: „Keiner liebt mich!“

Dankbarkeit


Die Alternative heißt Dankbarkeit. Wenn ich in Dankbarkeit zurückblicke, erkenne ich, dass Gott mich nie allein gelassen hat. Ich mag zwar ein etwas mitgenommener, von Schädlingen befallener Rebzweig sein, doch wenn ich auf den Weinstock schaue, darf ich erkennen, dass er mich trotzdem immer getragen hat und dass ich ihm vertrauen darf in allem, was kommt. Er ist es, der mir Kraft gibt, wenn ich gebeutelt werde. Nie hat er aufgehört, mir seinen lebensspendenden Saft zu geben. Wenn ich Einschnitte verkraften musste, stärkte er mich und baute mich auf. Wenn meine Früchte trotz meiner Bemühungen zu klein gerieten oder von Schädlingen befallen wurden, war der Weinstock für mich da, versorgte mich mit neuer Kraft und half mir, neue Knospen hervorzubringen. Selbst wenn der Herbst meines Lebens kommt, wenn ich all meine Blätter und Früchte loslassen muss und keine Schönheit mehr zeigen kann, wird der Weinstock dasein und mich stützen. Er schenkt mir die innere Kraft, die dem Auge verborgen bleibt und die unter der dürren Rinde auf ein „neues
Leben“ wartet.

Die Versuchung: Massa und Meriba


In Australien lebt Nick Vujicic, 26 Jahre. Seine Geburt war ein Schock für seine Eltern – die Ultraschallbilder hatten nicht angezeigt, dass ihm aufgrund eines Genfehlers beide Arme und Beine fehlten. Einige Jahre haderte Nick mit seinem Schicksal: „Gottes Ebenbild? Ich? Das ist wohl ein Witz!“ Inzwischen sagt er: „Keine Arme, keine Beine – keine Sorgen! Schau nicht auf das, was du nichthast, sondern auf all das, was du hast!“ Dieselbe Lektion musste das Volk Israel lernen: 40 Jahre lang waren sie durch die Wüste gezogen, Gott hatte ihnen Manna, Wachteln, Wasser und alles Lebensnotwendige zur Verfügung gestellt. Als sie am Rand der Wüste Sin ihr Lager aufschlugen und kein Wasser mehr hatten, murrten sie und verfielen in Undank gegen Gott. Sie bedrohten Mose, der daraufhin durch Gottes Wort mit dem Stab Wasser aus dem Felsen schlug. Mose nannte den Ort „Massa und Meriba“, d.h. Probe und Streit, weil das undankbare Volk Gott auf die Probe gestellt hatte.
Der Psalm 95,7–10 gibt wider, wie Gott darüber dachte: „Verhärtet euer Herz nicht wie in Meriba, wie in der Wüste am Tag von Massa! Dort haben eure Väter mich versucht, sie haben mich auf die Probe gestellt und hatten doch mein Tun gesehen. Vierzig Jahre war mir dies Geschlecht zuwider, und ich sagte: Sie sind ein Volk, dessen Herz in die Irre geht; denn meine Wege kennen sie nicht.“ Lernen wir aus der Geschichte, um es nicht am eigenen Leib erfahren zu müssen: Undank ist eine Verfehlung gegen Gott, denn wer undankbar ist, hat keine Liebe für den, der uns aus Liebe erschaffen, am Leben erhalten und erlöst hat.

Danken sollen dir die Völker alle (Ps 67)


Die Zeit der Ente ist also eine Einladung, Gott nicht nur für das gute Wetter und die Erträge aus Acker, Weinberg und Wald zu danken, sondern auch ein Aufruf, dankbar zurückzuschauen und zu erkennen, wie sehr wir in Gott und seiner Liebe verwurzelt sein dürfen – zu jeder Jahreszeit! Mehr als die besten irdischen Eltern ist Gott stets für uns da, lässt uns nie fallen – außer dann, wenn wir uns aus freiem Willen von ihm lossagen. Und weil alles vergeht, Gott allein aber derselbe bleibt und weil Gott erst genügt (so sagte die hl. Teresa von Avila), deshalb steht es sogar den Rebzweigen, die sich aus eigenem Willen vom Weinstock getrennt haben, offen, jederzeit zurückzukommen und darum zu bitten, wieder eingepfropft zu werden und neues Leben aus der uralten, ewigen Wurzel zu schöpfen. Erkennen wir, wie großzügig, treu und liebevoll Gott, unser Weinstock ist, und danken wir ihm aufrichtig für alle guten Früchte in unserem Leben. Mit seiner Hilfe durften wir sie hervorbringen, denn er sagte (Joh 15,5): „Ohne mich könnt ihr nichts vollbringen!“Dieser Dank wird uns als wahre Rebzweige ausweisen, als liebende Kinder des himmlischen Vaters.

Beatrix Zureich

Zuerst erschienen in MARIA - Das Zeichen der Zeit Nr. 143

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen